Plusminus
Dr. Stephan Günzel
»Plusminus-Die Dekonstruktion des infografischen Prinzips von Suna Elbasi ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Wie der Untertitel „Eine gestaltete Überlegung“ deutlich macht, wird nicht nur über die Infografik geschrieben, sondern dies geschieht mit deren Mitteln. D.h. das Buch ist selbst infografisch gestaltet und bezieht Gestaltungen aus der Geschichte der grafischen Informationsdarstellung ein. Damit wird auch der keineswegs leicht zu erfüllende Anspruch eine Dekonstruktion erfüllt, da diese ja keine Destruktion oder Zurückweisung einer Position ist und auch keine Apologie oder blanke Affirmation, sondern eine reflektierte Form der Kritik, die aus dem Material heraus argumentiert, analysiert oder vergleichend darstellt. Die Dekonstruktion geschieht im konkreten Fall dabei doppelseitig von außen nach innen, wobei im Innersten der Dekonstruktionsvorgang selbst greifbar wird: Nämlich in Form einer Anleitung zum Falten der Seiten, die das Buch selbst objekthaft werden lassen und Gestaltung dadurch vom Bild-/Textbereich in den Produktbereich überführt bzw. das ganze Projekt einer bildlich-textlichen Darstellung problematisiert wird, nachdem die Leser bereits in die Situation gebracht wurden, sich für eine Bewertung oder der Infografik und ihrer Geschichte zu entscheiden, die Suna Elbasi im Bereich „Plus“ positiv und im Bereich „Minus“ negativ darstellt. Dass die Autorin und Gestalterin dabei beide Sichtweisen aufeinander zulaufen lässt, ohne sich letztlich für eine zu entscheiden, spiegelt nicht nur das ethische Dilemma, in welchem jeder Infografiker in seiner Arbeit steht, sondern auch die Lage der Nutzer, wenn sie über Medien Informationen beziehen, in denen statistisches Material mit einem bestimmten Ziel aufbereitet wird. Die positive wie auch die negative Strecke zeichnet zudem die weitere Stärke aus, dass Praxis und Theorie – d.h. Beispiele aus Geschichte und Gegenwart von der analogen oder statischen bis zur bewegten oder digitalen Informationsgrafik – sowie Philosophien, welche direkt oder indirekt zu Fragen der gestalteten Vermittlung von Information Stellung nehmen im Wechsel vorgestellt, verhandelt und aufeinander bezogen werden. Die Leseerfahrung wird dabei sowohl bereichert als dass es auch zu einer Emergenz von Erkenntnis kommt, da sich beide Bereiche gegenseitig verstärken und über Ihre Resonanz mehr vermitteln, als jeweils in dem einen oder dem anderen oder allein mit Text bzw. Bild ausgedrückt werden kann. Es ist nicht verfehlt zu sagen, dass diese Arbeit in einer Tradition der Medientheorie steht, die mit den Bücher begründet wurde, die Quentin Fiore für und mit Marshall McLuhan gestaltete hatte und deren bekanntestes fraglos „The Medium is the Message“ ist.«